
Jahresschlussveranstaltung 2024: VERSAMMLUNG EHRBARER KAUFLEUTE
Am 31. Dezember 2024 fand in der Handelskammer die “Versammlung Ehrbarer Kaufleute” (VEEK) statt. Die Jahresschlussveranstaltung wird traditionell vom Vorsitzenden der VEEK eröffnet. Es folgt der Bericht des Präses der Handelskammer über die wirtschaftliche Gesamtsituation.
Unter dem Motto „Standort am Scheideweg“ hat Handelskammer Präses Norbert Aust bei der Versammlung Ehrbarer Kaufleute eine entschlossene Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik gefordert und skizziert, welche ‚Herkulesaufgaben‘ bewältigt werden müssen, um Hamburgs Wohlstand, die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Verteidigungsfähigkeit des Standorts zu sichern.
Dabei appellierte er an die Politik, sich den großen, ungelösten Herausforderungen, wie der schwindenden Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit, der überbordenden Bürokratie, dem Fachkräftemangel, der sanierungsbedürftigen Infrastruktur – insbesondere im Hafen – der mangelnden Verteidigungsfähigkeit, sowie einer schleppenden Energiewende mit Mut und Tatkraft zu stellen. „Uns bleibt nur der Weg der strukturellen Reformen. Denn unser Leben, wie wir es kennen, ist in Gefahr“, so Präses Aust. „Wir brauchen eine Renaissance der Sozialen Marktwirtschaft: Unternehmerische Freiheit, Wettbewerb und eine klare Aufgabenverteilung zwischen Wirtschaft und Staat.“
Die Lösung der strukturellen Probleme liegt laut Aust auch in einer Wirtschaftspolitik, die Innovationen und Zukunftstechnologien sowie die konsequente Anwendung Künstlicher Intelligenz priorisiert. Dafür bekräftigte Aust die Forderung nach einer zusätzlichen Milliarde Euro aus privatwirtschaftlichen Erträgen und Dividenden der Stadt mit der Gründung einer Zukunftsstiftung, um den Innovationsstandort Hamburg unabhängig von Wahlzyklen und Haushaltsplanungen nach vorn zu bringen.
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sagen Sie bitte nicht, sie hätten kein Geld für so etwas. Dem halte ich entgegen: Der Senat schafft es seit Jahren nicht, vorhandenes Geld für Investitionen auszugeben.“ Laut Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg betrugen die so genannten investiven Reste Ende 2022 bereits 2,1 Milliarden Euro, die in das Jahr 2023 übertragen wurden. Demnach mangele es dem Kernhaushalt nicht an Mitteln, vielmehr gelänge es der Stadt nicht, geplante Investitionen umzusetzen.
Ein Bestandteil für eine klare Zukunftsorientierung ist die Neuordnung der Behörden-Ressorts im Senat nach der Bürgerschaftswahl im März. Eine Erweiterung der Zuständigkeit in der Wirtschaftsbehörde um das Thema Energie „würde wichtige Synergien für die Wettbewerbsfähigkeit und den Klimaschutz schaffen“, so Präses Aust. Gleichzeitig sollte die Innovationspolitik in die Zuständigkeit der Wissenschaftsbehörde fallen. „Wir brauchen neue Produkte und Dienstleistungen made in Hamburg. Dafür müssen Wirtschaft und Wissenschaft noch enger zusammenarbeiten. Das sogenannte ‚death valley‘ zwischen Grundlagenforschung und Anwendung muss endlich überwunden werden“, betonte Prof. Aust.
In seiner Rede hob der Präses die Chancen des Klimaschutzes für die Wirtschaft hervor. „Wir haben eine Verantwortung. Und wir haben wirtschaftliche Interessen. Und glücklicherweise kann beides zusammengehen.“ Ein weiteres, erfolgversprechendes Geschäftsmodell für Hamburg könnten technologiegeriebene Klimalösungen sein, die von Hamburg in alle Welt verkauft werden, so Aust. Dabei müsse aber die unternehmerische Freiheit höchste Priorität genießen. „Es ist und bleibt falsch, alles zu regulieren. Deshalb sehen wir den sogenannten Klimaentscheid auch kritisch.“
In seiner Rede warnte Aust davor, die berechtigte Kritik der Wirtschaft zu relativieren. „Wer in dieser Situation lapidar das Sprichwort ‚Die Klage ist des Kaufmanns Gruß‘ bemüht, verkennt die Dramatik der Situation, der hat den Warnschuss nicht gehört.“ In diesem Sinne erinnerte er den Senat noch einmal daran, dass große Probleme große Lösungen brauchen, und forderte neben der Innovationsmilliarde eine konsequente Stärkung des Hamburger Hafens durch mehr Wettbewerb ein. Dies erfordere auch neue Flächen im Hafen. Die Keimzelle des Hafens der Zukunft könne auf Steinwerder entstehen. „Wir verlangen nicht, dass die Politik morgen die Bagger nach Steinwerder losschickt. Aber wenn wir uns endlich trauen würden, etwas völlig Neues zu denken, dann könnten wir gemeinsam unseren Hafen wieder zu einem international führenden Standort machen.“
Dass Hamburgs Unternehmen eine klare Zukunftsstrategie des Senats für den Standort vermissen, zeigt eine repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag der Handelskammer unter Hamburger Unternehmen (Befragungszeitraum 3.- 17. Dezember 2024). Zwei von drei Mitgliedsunternehmen vermissen demnach eine langfristige Strategie des Senats zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes, wie sie die Handelskammer mit ihrer Strategie Hamburg 2040 – wie wollen wir künftig leben und wovon? entwickelt hat. Lediglich 43 Prozent sehen die Interessen der Wirtschaft im Senat 'ausreichend‘ berücksichtigt.
Jochen Spethmann, Vorsitzender der Versammlung Ehrbarer Kaufleute zu Hamburg e.V., unterstützte den Präses der Handelskammer mit seinem Statement zur Eröffnung der Versammlung. Sein Leitgedanke: Vertrauen, Selbstvertrauen und Zutrauen – die Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft Deutschlands. Spethmann appellierte an Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, diese Werte zu leben und die Zukunft mutig gemeinsam anzupacken.
„Die Herausforderungen und komplexen Aufgaben, vor die uns die Zukunft stellt, können wir nur meistern, wenn wir einander vertrauen sowie als Land und Gesellschaft Selbstvertrauen in unsere Fähigkeiten haben und schließlich das Zutrauen aufbringen, dass wir Dinge zum Besseren wenden können“, betonte Spethmann.
Dabei griff er auf ein Prinzip der Ökonomen Peter Drucker und Fredmund Malik zurück, die von der systematischen Müllabfuhr sprechen: „Was von dem, was wir heute tun, würden wir nicht wieder anfangen, wenn wir damit nicht schon begonnen hätten?“ In diesem Sinne appellierte Spethmann an die neue Hamburgische Bürgerschaft und den Deutschen Bundestag, in den ersten zwei Jahren der neuen Legislaturperiode keine neuen Gesetze zu erlassen. Stattdessen sollten sich die Parlamente darauf konzentrieren, bestehende Gesetze zu streichen, zu kürzen oder zu vereinfachen.
Reden
Sehr verehrte Damen und Herren,
die Versammlung Ehrbarer Kaufleute zu Hamburg ist hiermit eröffnet. Es ist für uns als Vorstand der VEEK Ehre und Freude, Sie alle sehr herzlich zu unserer Jahresschlussversammlung in der Handelskammer Hamburg und über den Livestream willkommen zu heißen. Ich darf nun einige von Ihnen namentlich oder als Vertreter und Vertreterinnen ihrer Institutionen begrüßen. Das verbinde ich mit dem traditionellen Wunsch, Ihre Freude durch Applaus erst auf mein kleines Signal hin zum Ausdruck zu bringen. Ich beginne mit den Menschen, die in Regierung und Parlament Verantwortung für unser Land tragen.
Ein herzliches Willkommen unserem Ersten Bürgermeister, Herrn Dr. Tschentscher. Wie schön, dass Sie, sehr geehrte Frau Tschentscher, uns ebenfalls beehren. Unsere besonderen Grüße gelten der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Frau Aydan Özoğuz. Willkommen heißen wir ebenso die Senatorinnen und Senatoren unserer Stadt,deren Kolleg:Innen im Bund und Ländern sowie die Abgeordneten des Deutschen Bundestags und des Europäischen Parlaments, sowohl die amtierenden als auch die ehemaligen. Ich fahre gerne fort mit den Vertretern und Vertreterinnen der Bundeswehr, der Polizei und der Feuerwehr, die für unsere Sicherheit sorgen, der Gerichte, die sich um Recht und Ordnung kümmern, der Universitäten, die sich der Forschung und der Lehre widmen, des konsularischen Korps, das uns mit aller Welt verbindet, der Kirchen und der verschiedenen Glaubensgemeinschaften in Hamburg, die für das geistige und seelische Wohl der Menschen wirken, der Wirtschaft und der Gewerkschaften, die unsere Wirtschaft am Laufen halten, und der Medien, die für Information, Meinungsfreiheit und Kritik an den Mächtigen arbeiten. Dann begrüße ich die Mitglieder des Präsidiums und des Plenums der Handelskammer, an der Spitze den Präses, Herrn Prof. Norbert Aust, sowie den Hauptgeschäftsführer, Herrn Dr. Malte Heyne. Wir danken Ihnen für unsere gute Zusammenarbeit. Ein Willkommen auch den zahlreichen Repräsentanten unserer Nachbarkammern.
Wie schön, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind – un nu geit dat los mit de klatschen!
Wie geht es Ihnen heute, am letzten Tag des Jahres 2024? Blicken Sie unzufrieden zurück? Und wie in die Zukunft? Mit Ungewissheit, Sorge und Befürchtungen? Vielleicht aber auch heiter-resigniert? Oder voller Tatendrang und Optimismus?
Einige Überschriften der vergangenen Wochen: „Deutschland schmiert ab“ – „Auf die Inflation folgt die Rezession“ – „Lage für Deutschland besonders düster“ – „Renten-Krise führt zum Wohlstandsverlust für alle“ – „Klimakrise: Hohe Strompreise führen zur Produktionsstopps.“
Wenn man im Moment die Nachrichten aller Art verfolgt, dann braucht es eine schon gehörige Portion Resilienz, um nicht in Verzweiflung, Untätigkeit oder gar in einen Rückzug zu verfallen - überall Probleme und Bedrohungen und anscheinend keine Lösungen. Mein Vater pflegte allerdings zu sagen. „Jammern ist keine unternehmerische Tätigkeit.“ Dazu passt ein schönes Zitat von Mark Twain: „Ich bin ein alter Mann und habe viel Furchtbares erlebt, aber das meiste davon ist nicht passiert.“
Die international gerade voranschreitende Rückabwicklung der Globalisierung trifft die deutsche Wirtschaft besonders hart, kein anderes großes Industrieland ist so sehr auf freie Märkte angewiesen. Deutschland altert – und das nicht nur in der Demografie. Die Firmen feiern inzwischen mehr Geburtstage als Innovationen: Die 40 wertvollsten deutschen Konzerne sind im Schnitt 146 Jahre alt. In den USA sind die 40 am höchsten bewerteten Unternehmen nur 70 Jahre alt. Die großen Technologiefirmen der Zukunft entstehen zu oft anderswo. Die Versuche klassischer Standortpolitik, mit Milliardensubventionen Unternehmen Jobs und Technologie zu bringen, führt bisher zu wenig: Intel, Northvolt, Thyssen-Krupp – die Liste der gescheiterten Experimente ist lang. Für viele Unternehmen war die Situation schon lange nicht mehr so schwierig wie dieser Tage. Kein Wunder, dass zwei Drittel der Deutschen trüb in die Zukunft blicken.
In der Tat stehen wir und der Westen insgesamt vor enormen Herausforderungen: Klimakrise, geopolitische Konflikte und Migrationsbewegungen. Wir spüren den wachsenden Druck globaler Konkurrenz. Die Zukunft gehört nicht mehr wie selbstverständlich uns, den Mitgliedstaaten der EU und der NATO. Stattdessen sehen wir uns konfrontiert mit den strategischen Ambitionen Russlands und der langfristigen Planung Chinas. Doch in dieser sich wandelnden Weltordnung liegen auch Chancen – es liegt an uns, unsere Werte, Innovationskraft und Zusammenarbeit zu stärken, um diese Herausforderungen in Möglichkeiten zu verwandeln. Aber das ist es nicht allein. Ganz offensichtlich verlieren viele Menschen in den Staaten des Westens das Vertrauen in die heutigen Strukturen, dass die wichtigen Fragen der Gegenwart mit den herkömmlichen Methoden des Kleinteiligen und Prozessualen gelöst werden können. Theodor Heuss hat einmal gesagt, Politik sei Vertrauen auf Zeit.
Sprechen wir also über Vertrauen, Selbstvertrauen und Zutrauen: Vertrauen ist einer der entscheidenden Faktoren für den Erfolg einer Organisation und auch einer Gesellschaft. Vertrauen ermöglicht eine robuste und belastbare Führung, die auch Fehler verkraften kann, die jeden Tag passieren, ohne es zu wollen oder oft auch zu merken. Auch in einer Organisation, in der Vertrauen existiert, gibt es Missstimmung, Unzufriedenheit und Konflikte. Doch solange gegenseitiges Vertrauen herrscht, ist die entscheidende Basis für den gemeinsamen Erfolg vorhanden.
Vertrauen entsteht aus
konsistentem Handeln,
Verlässlichkeit und
charakterlicher Integrität.
Gute Führungskräfte sind sich selbst treu. Dieses alte Wort, das bis heute in Vertrauen steckt, bedeutet so viel wie stark und fest. Regeln schaffen kein Vertrauen. Menschen schaffen Vertrauen. Denn Vertrauen ist kein Prozess des Verstandes, sondern ein Gefühl. Vertrauen muss man gewinnen. Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit sind die Basis für ein vertrauensvolles Miteinander. Ob man sich im Ernstfall auf jemanden verlassen kann, ist in guten Zeiten kaum herauszufinden; völlig zu Recht sagt der Volksmund: „Erst in der Not lernt man seine Freunde kennen.“ Charakterliche Integrität: Was sich dahinter verbirgt, ist etwas Einfaches: Meinen, was man sagt und entsprechend handeln, halten, was man verspricht. Allerdings: Zu meinen, was man sagt, bedeutet nicht, alles zu sagen, was man meint. Menschen spüren bei anderen Menschen, dass das, was wir als Haltung bezeichnen, nichts anderes ist als die gelebten Werte eines Menschen. In schwierigen Zeiten zählt eben nicht die Umgänglichkeit von Führungskräften, sondern die erwiesene Redlichkeit und innere Unabhängigkeit, die sich auch darin zeigt, ob sie oder er Klartext redet, und zwar in alle Richtungen. Das soll und muss man sehen können. Vertrauen manifestiert sich in Respekt, Anstand, Haltung und Redlichkeit – den Werten unserer Versammlung.
Reinhard Sprenger schreibt in seinem Buch „Vertrauen führt“: „Wer einem anderen vertraut, braucht Selbstvertrauen.“Selbstvertrauen bezeichnet das Gefühl, mit möglichen Schwierigkeiten fertig werden zu können. Es kommt aus der Erfahrung, sich wiederholt aus eigener Kraft aus schwierigen Situationen befreit zu haben. Wenn wir zurückblicken, dann gibt es allen Grund, dass wir in Deutschland dieses Selbstvertrauen haben sollten: Ich erinnere an das Bestehen im kalten Krieg, die Wiedervereinigung, das Überwinden der Finanz- und der Corona-Krise und zuletzt den Ersatz des russischen Gases. Das bringt uns zum Zutrauen: Der Duden definiert: sich aufmachen, sich aufraffen, sich bemühen, es wagen, den Mut haben, eine unvertraute Aufgabe zu übernehmen, den Sprung ins kalte Wasser riskieren. Und das werden wir dringend brauchen. Florence Gaub, eine deutsch-französische Politikwissenschaftlerin und Zukunftsforscherin, sagt zur Gestaltung der Zukunft – ich zitiere aus einem Interview im Spiegel: „Den Untergangsprognosen wird das Konzept einer Alternativzukunft entgegengehalten: Zukunft ist das, was Menschen daraus machen. Um diese alternative Zukunft zu ermöglichen, braucht es eine Vorstellung davon, wie diese aussehen soll und ganz wichtig, wie man dort hinkommt. Diese fehlt in Deutschland, aber auch in anderen westlichen Ländern. Wahl-Slogans kolportieren eine Rückkehr in die Vergangenheit, nicht in die Zukunft, im besten Fall wird das Morgen als das Gleiche wie das heute oder das von gestern versprochen. Aber je mehr die Zukunft als positives Ordnungskonzept für Veränderungen fehlt, desto mehr steigt die Angst, sich ausgeliefert zu fühlen. Die besten Zukunftschancen hat, wer sich ehrlich eingesteht, wie schwierig die Realität ist und trotzdem davon überzeugt ist, dass man
die Situation meistern kann.“
Sie erwähnt eine konkrete Idee für unsere neue Regierung: Spaniens Ex-Premier Sánchez hat das nationale Büro für Zukunftsforschung wiederbelebt und das Projekt »España 2050« ins Leben gerufen. Aus einer umfassenden Befragung entstand ein Bericht aus dem mehr als 200 konkrete politische Maßnahmen abgeleitet wurden, wie das Land zukunftsfähiger werden könnte. Mario Draghi hat mit seinem Bericht einen starken Plan zur Gesundung der EU vorgelegt – ein wichtiger Weckruf, den wir in Europa erhören müssen. Hier in Hamburg hat unsere Handelskammer die so wichtige Standortstrategie „Hamburg 2040 – Wie wollen wir in Hamburg künftig leben – und wovon?“ - bereits vor einigen Jahren entwickelt und kämpft für deren Umsetzung. Auch ein Beispiel für Berlin.
Eine weitere Idee möchten wir beisteuern, auch wenn sie ungewöhnlich klingen mag. Peter Drucker und Fredmund Malik haben die systematische Müllabfuhr erfunden: Die Methode ist ebenso einfach wie die Idee selbst. Sie besteht darin, dass man regelmäßig die Frage stellt: Was von alldem, was wir heute tun, würden wir nicht mehr neu beginnen, wenn wir es nicht schon täten?Die Frage lautet nicht, was hätten wir damals nicht beginnen sollen. Denn diese befasst sich mit der Vergangenheit, während die erste Formulierung auf die Zukunft gerichtet ist. Was würden wir nicht mehr anfangen, wenn wir nicht mittendrin
steckten? Und wovon müssen wir uns daher trennen?“ Auf diese Weise könnte die neue Hamburgische Bürgerschaft und der neue Deutsche Bundestag in den ersten beiden Jahren der neuen Legislaturperiode keine neuen Gesetze, Verordnungen usw. beschließen, sondern sich ausschließlich damit befassen, welche gestrichen, und wenn das nicht oder noch nicht geht, gestrafft und vereinfacht werden können. Die Zeit ist reif für eine neue wirtschaftspolitische Strategie, die von Wirtschaft, Politik und allen weiteren relevanten Akteuren gemeinsam getragen wird. Wir benötigen eine Wachstumsstrategie, die dem Gebot der Geopolitik Rechnung trägt. Neben den Bedarf für die Verteidigung treten die enormen Investitionen in die Infrastruktur, die nötig sind: Straßen und Bahnstrecken, Digital- und Stromnetze, Ausbau der erneuerbaren Energien. Die klimapolitische Transformation erfordert eine Offensive in Forschung und Entwicklung, die nur bei kräftigem Wachstum möglich ist.
Endlich den Bürokratiewust angehen - wie geschildert: systematisch und nicht nur punktuell. Unsere Verwaltung modernisieren, die Neuordnung der Sozialleistungen und Reform des Bürgergelds angehen und sich wirklich den Herausforderungen unseres Rentensystems stellen. Abbau der Subventionen zur Finanzierung des nötigen Wandels. Schluss mit dem Mikromanagement unserer Wirtschaft. Mehr Freiheit für unsere Marktwirtschaft, unternehmerische Verantwortung und Eigeninitiative. Es ist die Stunde der Kaufleute, Manager, Unternehmerinnen: Niemand kann glaubwürdiger zur Zukunft der Wirtschaft dieses Landes sprechen und handeln! Wir werden angesichts dieser Herausforderungen und komplexen Aufgaben nur vorankommen, wenn wir das Vertrauen in das Miteinander, das Selbstvertrauen in unsere Fähigkeiten, und das Zutrauen aufbringen, dass wir die Dinge zum Besseren wenden können. Wir benötigen dringend eine gemeinsame Idee der Zukunft- wir brauchen die soziale und nachhaltige Marktwirtschaft 2.0: Agieren statt reagieren, Handeln statt nur reden, Zuversicht statt Hoffnungslosigkeit, Wagen statt Zögern. Kurz: Deutschland - trau dich!
Es gilt das gesprochene Wort.
Meine Damen und Herren,
stellen Sie sich Herkules vor, den Helden der griechischen Antike. Er steht vor der größten Prüfung seines Lebens. Am berühmten Scheideweg. Ein möglicher Weg ist verlockend einfach, er verheißt Bequemlichkeit und kurzfristiges Glück, endet aber in Schmach und Bedeutungslosigkeit. Der andere Weg ist steinig, voller Hindernisse und Entbehrungen. Doch nur dieser Weg führt ihn langfristig zu Erfolg und wahrer Größe. Genau wie Herkules, stehen wir in Europa, in Deutschland und in unserem Hamburg am Scheideweg. Denn unser Leben, so wie wir es kennen, ist in Gefahr. Unsere Weltordnung verändert sich auf dramatische Art und Weise. Das ist alarmierend!
Deutschland und Hamburg als Außenwirtschaftsstandort sind von diesen globalen Veränderungen besonders betroffen. Es bringt uns aber nicht weiter, über die geopolitische Situation zu klagen. Denn es sind vor allem unsere hausgemachten Probleme und verschleppten Reformen, die uns in eine wirtschaftlich sehr ernste Lage gebracht haben. Deswegen werde ich mich deshalb heute auf diese Themen konzentrieren.
Die deutsche Wirtschaft stagniert seit fünf Jahren. Unser Hamburger Weltwirtschaftsinstitut und andere führende Konjunkturforscher erwarten auch im kommenden Jahr keine Besserung. In der EU werden wir in der Wachstumsrangliste durchgereicht. Wir sind im Tabellenkeller angekommen. Die deutsche Industrie steht unter besonderem Druck. Seit 2018 sinkt die Produktion.
Meine Damen und Herren,
Deindustrialisierung, das betrifft nicht nur die großen, energieintensiven Unternehmen Deutschlands. Sondern vor allem die mittelständischen Betriebe, das sind die vielen Familienunternehmen. Das Herz unserer Volkswirtschaft. Wer in dieser Situation lapidar das Sprichwort „Die Klage ist des Kaufmanns Gruß“ bemüht, verkennt die Dramatik der Situation, der hat den Warnschuss nicht gehört.
Meine Damen und Herren,
uns allen muss klar sein: Wir haben schwerwiegende strukturelle Probleme. Kurzfristige Krisen und Konjunkturdellen kann man mit staatlichen Interventionen und Hilfen erfolgreich überwinden. Das war zum Beispiel bei Corona der Fall. Schwerwiegende strukturelle Probleme und den Verlust von Substanz nicht. Das geht nur mit grundlegenden Reformen. Wir, die Hamburger Wirtschaft, fordern diese Reformen – jetzt.
Meine Damen und Herren,
gekämpft hat auch unser Held Herkules, denn er entschied sich für den schweren Weg. Auch wir müssen uns entscheiden. Wir können den bequemen Weg wählen, weiter Festhalten an schlechten Kompromissen und halbherzigen Entscheidungen. Können uns einrichten in unserer Reformunwilligkeit. Können uns wehren gegen das, was sowieso kommen wird. Können uns weiter an Partikularinteressen ausrichten; es versuchen, jedem und jeder recht zu machen: Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich, bedingungsloses Grundeinkommen, kostenloses Deutschlandticket für alle und was das Leben sonst noch so angenehm macht. Auch für viele Unternehmen ist das süße Gift der Subventionen verführerisch. Viel zu oft wird das staatliche Scheckheft gezückt, wenn es irgendwo eine Interessengruppe zu befrieden gibt. Das wird vielleicht noch eine Weile gutgehen. Aber am Ende drohen wir alles zu verspielen.
Meine Damen und Herren,
uns bleibt nur der schwere Weg - der Weg der strukturellen Reformen. Vor allem aus Verantwortung für unsere Kinder und deren Kinder, wenn wir auch ihnen ein Leben in Freiheit und Wohlstand und in einer intakten Umwelt ermöglichen wollen. Deshalb müssen wir es machen wie Herkules. Lassen Sie uns die schweren Aufgaben angehen. Mit Mut, Ausdauer und vor allem mit Kreativität und Ideenreichtum. Besinnen wir uns auf die Stärken, die uns in der Vergangenheit zu Wohlstand verholfen haben. Wir brauchen eine Renaissance der Sozialen Marktwirtschaft. Im Kern sind das unternehmerische Freiheit, Wettbewerb, Tarifautonomie und vor allem eine klare Aufgabenverteilung zwischen Wirtschaft und Staat. Der Staat konzentriert sich auf seine Kernaufgaben und schafft Rahmenbedingungen, in denen die Wirtschaft frei agieren kann. Und die Unternehmen erwirtschaften in diesem Rahmen die Steuern, die der Staat braucht, um seine Aufgaben zu erfüllen. Dazu bedarf es Vertrauen in die Effizienz des Marktes und die Innovationskraft der Unternehmen. Wir müssen die richtigen Prioritäten setzen und die Aufgaben entschlossen angehen. Wenn wir uns auf all das besinnen, dann werden wir die Aufgaben erfolgreich bewältigen. Das ist eine gute Nachricht: Wir haben es selbst in der Hand – noch!
Und ich habe noch eine weitere gute Nachricht für die Länge meiner heutigen Rede. Herkules hatte in der Sage zwölf Aufgaben zu bewältigen. Ich werde mich heute hier für Deutschland und Hamburg auf die aus meiner Sicht wichtigsten sieben Aufgaben konzentrieren.
Meine Damen und Herren,
unsere erste Herkulesaufgabe lautet: Frieden und Sicherheit garantieren. Deutschland befindet sind noch nicht im Krieg. Aber wenn Versorgungsleitungen gekappt werden, Drohnen die kritische Infrastruktur ausspionieren und Unternehmen Cyberangriffen ausgesetzt sind, befinden wir uns jedenfalls nicht mehr im Frieden. Wir müssen diesen Bedrohungen und Aggressionen mit Stärke begegnen und glaubhaft machen, dass wir uns verteidigen können, wollen und werden. Denn äußere Sicherheit und Zivilschutz sind zwingende Voraussetzungen für erfolgreiches Wirtschaften. Angesichts der Bedrohungen und der über viele Jahre geringen Investitionen in unsere Sicherheit, müssen wir die Verteidigungsausgaben deutlich erhöhen. Ich rufe in Erinnerung, das während der Kanzlerschaft Willy Brandts die Verteidigungsausgaben bei drei bis vier Prozent des Sozialprodukts lagen, also doppelt so hoch wie jetzt. Erst das hat seine erfolgreiche Entspannungspolitik möglich gemacht. Leider haben viele diesen Zusammenhang vergessen. Es wäre auch wichtig, dass sich unsere Verteidigungsindustrie besser am privaten Kapitalmarkt bedienen könnte, um neue Produkte zu unserem Schutz zu entwickeln. Doch dem steht aktuell die sogenannte EU-Taxonomie-Verordnung entgegen. Derzeit werden Unternehmen, die unsere Verteidigungsfähigkeit erhöhen wollen, als „nicht nachhaltig“ eingestuft. Das erschwert ihnen den Zugang zu günstigen Finanzierungen.
Meine Damen und Herren,
die Europäische Union ist für unsere Unternehmen unverzichtbar und wer ernsthaft den Austritt fordert, fügt unserer Wirtschaft erheblichen Schaden zu, aber derlei regulatorische Auswüchse können wir uns angesichts des Krieges vor unserer Haustür und der knappen öffentlichen Mittel nicht leisten. Wir müssen auch die Cybersicherheit sowie den Zivil- und Heimatschutzschutz erheblich verbessern. Viel stärker als in der Vergangenheit müssen sich die Unternehmen mit den sicherheitspolitischen Akteuren vernetzen, sich austauschen und abstimmen. Unsere Handelskammer nimmt die Bedrohung ernst und wird ihren Beitrag zur Stabilität und Sicherheit leisten. Auch Sie, liebe Unternehmerinnen und Unternehmer, können einen aktiven Beitrag zu unserer Stärkung leisten. Ich bitte Sie daher: Überprüfen Sie Ihr Geschäftsmodell mit Blick auf die veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen. Sichern Sie Ihre Logistik, Lagerhaltung, Personalplanung und Infrastruktur. Schützen Sie Ihren Betrieb gegen Angriffe von außen - sei es aus dem Internet, per Drohnen oder durch Sabotage. Und, das ist mir ein besonderes Anliegen: Unterstützen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich im Zivilschutz oder in der Landesverteidigung engagieren.
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Bundeswehr, der Polizei, der Feuerwehr und all der anderen, die für unsere Sicherheit sorgen,
ich möchte mich bei Ihnen im Namen der Hamburger Wirtschaft für Ihren Einsatz ausdrücklich bedanken. Seien Sie versichert, wir stehen fest an Ihrer Seite!
Meine Damen und Herren,
für die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes ist eine leistungsfähige Infrastruktur die entscheidende Voraussetzung. Und damit komme ich zur zweiten Herkulesaufgabe: Infrastruktur und Hafen auf Vordermann bringen. Die Lage in diesem Bereich ist so festgefahren, dass man komplett neu denken muss, um eine Lösung zu finden. So wie Herkules. Er hatte die Aufgabe, in nur einem Tag die Ställe des Augias von jahrelanger Verschmutzung zu befreien. Sie waren ein Symbol für Vernachlässigung und Verfall. Aber nicht der konventionelle Einsatz eines Besens führte unseren Helden ans Ziel, sondern sein Einfallsreichtum. Er leitete zwei Flüsse um und ihr Wasserdruck spülte den gesamten Schmutz hinaus. Die Lösung dieser Aufgabe zeigt, dass selbst größte Herausforderungen mit Kreativität und unkonventionellem Denken und Handeln bewältigt werden können. Aber wir müssen ebenfalls wie Herkules sehr schnell sein! Denn in diesem Jahr wurde uns auf besonders drastische Weise vor Augen geführt, in welchem Zustand sich unsere Infrastruktur befindet. Wir alle haben noch die Bilder von den überfüllten und verspäteten Zügen während der Fußball EM vor Augen. Untermalt von höhnischen Gesängen der ausländischen Fans gingen diese Bilder über Instagram und TikTok um die Welt. Das Video vom Einsturz der Carolabrücke in Dresden wurde ebenfalls ein viraler Hit und zeigte der Welt, dass unsere Infrastruktur schon lange auf Verschleiß gefahren wird.
Meine Damen und Herren,
die Hamburger und die norddeutsche Wirtschaft mahnen den Infrastrukturausbau seit Jahren immer wieder an. Leider verhallt unser Ruf allzu oft ungehört. Redet den Standort nicht schlecht, ist häufig die Antwort. Damit muss endgültig Schluss sein. Wir brauchen einen neuen Konsens: Vorfahrt für Infrastrukturprojekte! Eine starke Infrastruktur ist unerlässlich für wirtschaftliches Wachstum. Eine große Chance bietet der Fehmarnbelt-Tunnel, der 2029 fertig wird. Dafür muss er aber auch an das deutsche Verkehrsnetz angeschlossen werden. Im Moment besteht die Gefahr, dass Dänemark alle Bauprojekte fristgerecht fertigstellt und der Tunnel dann auf deutscher Seite sprichwörtlich auf der grünen Wiese endet.
Liebe Politikerinnen und Politiker,
ich warne an dieser Stelle ganz deutlich: Hier droht der nächste Imageschaden für Deutschland. Verhindern Sie dies bitte um jeden Preis. Und in Hamburg? Unsere Stadt lebt wie kaum eine andere vom fließenden Verkehr und Gütertransport. Aber unsere Infrastruktur wird dem immer weniger gerecht. Alle Brücken über die Norder- und Süderelbe müssen saniert werden. Nicht nur für den Wirtschaftsverkehr, auch für unsere Verteidigungsfähigkeit. Auch die Köhlbrandbrücke ist marode. Es wird erwartet, dass sie nur noch bis 2030 hält. Schon jetzt wird sie häufig gesperrt, Tendenz stark steigend. Die neue Brücke wird aber frühestens 2040 für den Verkehr freigegeben.
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des Senats,
mir geht es überhaupt nicht darum, irgendjemandem Planungsfehler vorzuwerfen. Aber ich bitte Sie um Antwort auf meine einfache Frage: Was machen wir in der Zwischenzeit? Wir laufen Gefahr, dass der Hafen seiner wichtigen Versorgungsfunktion für ganz Deutschland nicht mehr gerecht werden kann. Oder, um es mit einem geflügelten Wort der Schiffsmakler zu sagen: No Shipping – No Shopping! Genau deshalb brauchen wir auch dringend die Fertigstellung der A26-Ost, der Hafenquerspange. Wie kann es sein, dass diese wichtige Verbindung erst kürzlich öffentlich wieder infrage gestellt wurde und das sogar von einer Regierungsfraktion? Ich sage ganz deutlich: Das kann und wird die Hamburger Wirtschaft nicht hinnehmen!
Meine Damen und Herren,
der Hamburger Hafen ist das größte zusammenhängende Industriegebiet Europas. Er ist und bleibt entscheidend für unseren Wohlstand. Über 90 Prozent des Außenhandels werden über See abgewickelt. Aber seit Jahren verliert unser Hafen im Wettbewerb gegenüber den großen Konkurrenten Rotterdam und Antwerpen: Diese konnten vom Wachstum des Welthandels erheblich profitieren. Hamburg nicht. Wir sind zu teuer und zu langsam. Die Teilprivatisierung der HHLA kann hier ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Aber ich bin überzeugt, dauerhafte Abhilfe schafft nur die Ansiedlung weiterer internationaler Unternehmen und die Beteiligung neuer Investoren. Wir brauchen mehr Wettbewerb im Hafen. Dazu sind auch neue Hafenflächen notwendig.Gemeinsam mit dem Unternehmensverband Hafen Hamburg sehen wir im Mittleren Freihafen ein Potenzial von mehr als 100 Hektar hochattraktiver Fläche. Dort auf Steinwerder könnte die Keimzelle des Hafens der Zukunft entstehen. Das wäre ein echter „Gamechanger“ für den Hamburger Hafen.
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des Senats,
wir verlangen nicht, dass Sie morgen die Bagger nach Steinwerder losschicken. Aber wenn wir uns trauen würden, mal wie Herkules zu sein und etwas völlig Neues zu denken, dann können wir gemeinsam unseren Hafen wieder zu einem international führenden Standort machen.
Meine Damen und Herren,
auch unser Flughafen braucht einen Schub. Er ist für die internationale Vernetzung des ganzen Nordens unverzichtbar. Die Nachrichten von gestrichenen Flugverbindungen, die uns in diesem Herbst ereilten, sind ein echtes Warnsignal. Natürlich liegt das auch an der hohen Luftverkehrssteuer des Bundes. Sie muss reduziert werden. Aber wir brauchen auch aus Hamburg heraus ein umfassendes Paket, dass unseren Flughafen wieder nach vorne bringt. Also dauerhaft mehr investieren.
Sehr geehrte Frau Senatorin Dr. Leonhard,
ich konnte der Presse entnehmen, dass Ihnen sogar Anträge auf eine weitere Einschränkung der Betriebszeiten des Flughafens zugegangen sind. Bitte erteilen Sie diesen eine klare Absage!
Meine Damen und Herren,
ich habe viel über notwendige Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur gesprochen. Das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft hat errechnet, dass in den nächsten zehn Jahren annährend 300 Milliarden Euro in die Sanierung und den Ausbau der Verkehrs-Infrastruktur investiert werden müssen. Es stellt sich dann natürlich die Frage, wie das finanziert werden kann. Genauso wie die Garantie der äußeren Sicherheit ist die Bereitstellung der Infrastruktur eine absolute Kernaufgabe des Staates. Diesen Kernaufgaben muss in den öffentlichen Haushalten höchste Priorität eingeräumt werden. Dafür zahlt die Wirtschaft die Steuern. Die Staatseinnahmen steigen seit Jahren kontinuierlich. Wir haben also kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Allerdings: Selbst, wenn noch mehr Geld da wäre, würde das in vielen Fällen gar nichts nützen! Denn mit überbordender Bürokratie und langwierigen Planungsverfahren blockiert unser Staat die Wirtschaft und sich selbst an viel zu vielen Stellen. Wenn wir unsere Infrastrukturprobleme in den Griff kriegen wollen, muss zum Beispiel das sogenannte Verbandsklagerecht dringend reformiert werden. So kann und so darf es nicht weitergehen! Und damit komme ich zur Herkulesaufgabe Nummer drei, vor der ich am meisten Respekt habe: Bürokratie abbauen und Planungsverfahren beschleunigen. Der Bürokratieabbau gleicht einer der bekanntesten Aufgaben des Herkules, der Bezwingung der Hydra. Dieses neunköpfige Monster war bekanntlich in der Lage, für jeden abgeschlagenen Kopf zwei neue nachwachsen zu lassen.
Meine Damen und Herren,
dieses Bild erinnert mich doch sehr an unsere Regelungswut in Deutschland. Denn solange Abgeordnete ihre Hauptaufgabe darin sehen, neue Gesetze zu erlassen, werden weiterhin ständig neue Regelungen, Verordnungen und Berichtspflichten hinzukommen und die unternehmerischen Freiheiten einschränken. Ich sage deshalb ganz klar: Bürokratieabbau beginnt in den Köpfen. Alle Gesetze sollten dahingehend überprüft werden, ob der Aufwand zur Erfüllung in einem vernünftigen Verhältnis zur Zielsetzung steht. Das Prinzip der Genehmigungsfiktion muss konsequent umgesetzt werden. Das heißt, Genehmigungen gelten als erteilt, wenn Behörden nicht innerhalb einer bestimmten Frist widersprechen. Wir müssen weg von einer Verbotskultur hin zu einer Ermöglichungskultur!
Meine Damen und Herren,
die deutschen Industrie- und Handelskammern haben 450 konkrete Vorschläge für den Bürokratieabbau vorgelegt. Noch warten wir auf Umsetzung. Doch selbst unser unerschrockener Held Herkules konnte die Hydra nicht allein bezwingen. Er hat sich Hilfe geholt. Sein Cousin hat ihm mit einer Fackel geholfen, die Hydra zu bezwingen. Lassen Sie uns überlegen, was unsere Fackel sein könnte. Wie können wir das Bürokratieungeheuer bezwingen? Die größte Chance sehe ich im Einsatz der Künstlichen Intelligenz. Der vor kurzem verkündete Einsatz eines KI-basierten Textassistenten in der Hamburger Verwaltung zielt genau in diese Richtung und ich begrüße das sehr. Denn die Bürokratie verlangsamt nicht nur unsere Wirtschaft, sie bindet in den Unternehmen und in der Verwaltung auch viel zu viele qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Arbeitskraft wird in Zukunft eine immer knappere Ressource. Und damit bin ich direkt bei der vierten Herkulesaufgabe: Wir müssen dem Fachkräftemangel entschlossen entgegenwirken. Unsere letzte Konjunkturumfrage macht erneut deutlich: Fast 60 Prozent der Hamburger Unternehmen sehen sich vom Fachkräftemangel bedroht. Das Hamburgische WeltWirtschaftsinstitut hat errechnet, dass Anfang der 2040er Jahre allein in Hamburg annähernd 200.000 Fachkräfte fehlen werden. Daher wird unsere Wirtschaft deutlich langsamer wachsen. Uns entgeht allein dadurch jedes Jahr eine Milliarde Euro. Zusätzlich belastet diese Situation unsere Sozialsysteme, unsere Renten-, Pflege und Krankenversicherung dramatisch. Und obwohl die Probleme seit Jahrzehnten bekannt sind, hat es bisher jede Bundesregierung mehr oder weniger ausgesessen und verdrängt. Das sehe ich auch im aktuellen Wahlkampf. Wieder wird der Bevölkerung kein reiner Wein eingeschenkt zu den Auswirkungen des demografischen Wandels.
Meine Damen und Herren,
den demografischen Wandel können wir – bei aller Liebe – nicht aufhalten. Zur Fachkräftesicherung haben wir in den vergangenen Jahren umfangreiche Vorschläge gemacht. Zweifelsohne und sehr dringend sind qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland notwendig. Und zwar die, die Unternehmen gezielt suchen. Das bildet die derzeitige Migrationspolitik aber nicht ab. Und außerdem ist Fachkräfte-Zuwanderung nicht die alleinige Lösung. Das Arbeitsvolumen insgesamt muss erhöht werden. Das bedeutet vor allem mehr und länger arbeiten. Andere Länder wie zum Beispiel Schweden, die Niederlande und Japan haben es bereits vorgemacht. Es muss attraktiv sein, auch über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten. Dafür brauchen wir eine Flexibilisierung. Und zwar schnell, bevor die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Hamburg sollte sich genau dafür im Bund stark machen. Aber der größte Hebel gegen den Fachkräftemangel ist der konsequente Einsatz von KI, Digitalisierung und Automatisierung. Ich bin davon überzeugt: Das Potenzial ist enorm. Und wir stehen erst am Anfang der Entwicklung. Im nächsten Schritt wird Künstliche Intelligenz eigenständige Handlungen vornehmen können, um vorgegebene Ziele zu erreichen. In den USA ist die Produktivität nach der Corona-Pandemie vor allem deshalb so stark gestiegen, weil dort schon viel flächendeckender und konsequenter auf KI im Arbeitsalltag gesetzt wird.
Meine Damen und Herren,
auch in Ihrem Unternehmen sollte die KI zu einem selbstverständlichen Werkzeug werden. Nutzen Sie diese große Chance! Und kommen Sie auch zu uns in die Handelskammer! Wir beraten sie gerne.
Meine Damen und Herren,
Fachkräfte brauchen Wohnraum. Wer kann sich den in Hamburg überhaupt noch leisten, wer findet überhaupt noch eine bezahlbare Wohnung? Ich begrüße es daher sehr, dass der Senat eine Initiative für kostensparendes Bauen ins Leben gerufen hat. Gemeinsam mit der Immobilienwirtschaft haben wir zusätzlich eine Überarbeitung der Hamburgischen Bauordnung angeregt, um den Wohnungsbau richtig anzukurbeln. Diese Anregung selbst wurde zwar aufgegriffen, aber leider sind die Vorschläge der Hamburger Wirtschaft zur Vereinfachung des Bauens bislang nicht übernommen worden. Kein einziger!
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des Senats,
das Thema ist meiner Meinung nach zu wichtig für den Standort. Von dem Ziel, 10.000 neue Wohnungen im Jahr zu bauen, sind wir meilenweit entfernt. Lassen Sie uns deshalb eine wirksame Neuauflage des Bündnisses für Wohnen schmieden! Die Wirtschaft steht bereit! Die knappen Flächen in Hamburg erfordern einen Blick über die Grenzen Hamburgs hinaus. Eine zentrale Antwort auf die Wohnraumknappheit liegt in der stärkeren Integration unserer Metropolregion. Und damit bin ich bei der nächsten Aufgabe, die einen wahrlich herkulesken Willen und heldenhafte Beharrlichkeit erfordert. Beides kann ich in der Politik derzeit nicht erkennen. Gemeinsam mit Nachbarkammern, Verbänden und Gewerkschaften haben wir daher Vorschläge zur Zusammenarbeit im Norden gemacht. Für manche Fragen ist die Metropolregion jedoch zu klein: Übergeordnete Aufgaben wie Energiewende, Infrastruktur, Mobilität und Klimaschutz können nicht in der Metropolregion allein bearbeitet werden. Wir brauchen Lösungen für ganz Norddeutschland. In der Metropolregion geht es vornehmlich um einen einheitlichen Lebens- und Wirtschaftsraum. Die konkreten Sorgen der Unternehmen und Menschen stehen im Mittelpunkt.
Also: Vereinheitlichung der Bildungssysteme, Gesundheitsversorgung und Verbesserung der Bedingungen für Pendlerinnen und Pendler. Natürlich ist eine gemeinsame Flächenpolitik für Gewerbe und Wohnen notwendig. Das sind sehr wichtige, aber auch sehr komplizierte Fragen. Mit politischen Zielkonflikten, die auf Fachebene allein nicht gelöst werden können. Ohne den festen, wahlkampfunabhängigen Willen der norddeutschen Landesregierungen zur Überwindung der Landesgrenzen, wird dies nicht gelingen. Für die Hamburger Wirtschaft appelliere ich an alle Bürgermeisterkandidatinnen und -kandidaten: Suchen Sie den Schulterschluss mit Ihren Amtskolleginnen und -kollegen und machen Sie unseren einheitlichen Wirtschaftsraum zur Chefsache! Und jetzt komme ich zur Herkulesaufgabe Nummer sechs, dem wohl größten Brocken auf dem steinigen Weg, der vor uns liegt: Klimaneutral werden und gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben. Wir können uns vorstellen, dass auch unser Held Herkules auf seinem Weg in den Olymp an sich gezweifelt hat. Dass er Rückschläge hinnehmen und Opfer bringen musste. Ganz genauso geht es uns auch. Denn Klimaschutz erscheint vielen als die unlösbarste aller Aufgaben und ist ein Stück weit aus dem Bewusstsein verschwunden. Das ist ein Paradoxon. Denn die wirtschaftlichen Konsequenzen werden immer größer und bedrohlicher, je weniger wir tun. Deshalb gilt auch hier: Es führt kein Weg vorbei an dem steinigen, unbequemen Pfad. Denn wir haben eine Verantwortung. Und wir haben wirtschaftliche Interessen. Glücklicherweise können Verantwortung für das Klima und wirtschaftliche Interessen zusammen gehen. Sie finden in diesen Tagen einige, die das Gegenteil behaupten. Und dieser Reflex ist angesichts der besorgniserregenden Wirtschaftslage durchaus nachvollziehbar. Aber der „Point of no return“ ist bereits überschritten. Natürlich wurden bei Klimaschutz und Energiewende verheerende Fehler gemacht. Die lassen sich nicht ungeschehen machen. Aber wir können aus ihnen lernen und jetzt viel konsequenter in den Ausbau der erneuerbaren Energie, der Energienetze und grundlastfähigen Speichertechnologien investieren. Deshalb gilt es nach vorne zu schauen.
Meine Damen und Herren,
wir in Deutschland – und auch in Hamburg – haben viele große Entwicklungen verschlafen. Wir sind oft nur noch Anwender und nicht Technologieführer. Lassen Sie uns auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht die gleichen Fehler machen. Sondern lassen Sie uns an der Spitze der Bewegung sein. Und ein weiteres, erfolgversprechendes Geschäftsmodell für unsere Stadt aufbauen. Hamburg als Vorreiter für Klimalösungen – Hamburg, City of Climate Solutions! Hamburger Unternehmerinnen und Unternehmer haben längst erkannt, welche Wettbewerbsvorteile technologiegetriebener Klimaschutz mit sich bringt Exemplarisch für diese Unternehmen stehen Michael Otto mit seiner Stiftung und der Förderung der „Hamburg Sustainability Conference“. Und auch Klaus Michael Kühne mit seinem in Hamburg gegründeten Klimazentrum.
Meine Damen und Herren,
eine Sache möchte ich ausdrücklich klarstellen: Wir sind fest davon überzeugt, dass Unternehmen Freiheiten brauchen. Gerade um Klimaschutz betreiben zu können. Neue gesetzliche Vorschriften und Berichtspflichten sind nicht der richtige Weg. Deshalb sehen wir den sogenannten Hamburger Klimaentscheid auch so kritisch. Es ist und bleibt falsch, alles zu regulieren. Wir wollen einen ganz anderen Weg gehen. Unsere Handelskammer hat gemeinsam mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der OECD, eine Studie erstellt, wie wir Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit miteinander verbinden können. Durch unternehmerische Initiative, Innovation und durch Technologieoffenheit. Daraus ergeben sich die klaren Forderungen der Hamburger Wirtschaft an die Politik. Erstens und unabdingbar: Eine stabile Energieversorgung aus CO2 freien Quellen zu wettbewerbsfähigen Preisen. Zweitens: Schnellerer Ausbau von On- und Offshore-Windparks. Dies gilt auch für den Netzausbau. Damit es schneller und günstiger ist, darf das gerne auch oberirdisch stattfinden. An dieser Stelle: Schöne Grüße nach Bayern. Drittens: Es muss mehr Augenmerk auf zukunftsfähige Konzepte für die Speicherung von Energie gelegt werden. Insbesondere an grundlastfähigen Lösungen mangelt es noch. Dies ist aber besonders wichtig für die energieintensiven Unternehmen, die wir unbedingt am Standort halten müssen. Deswegen sollten wir auch die sogenannte CCS-Technologie nutzen, die CO2 unterirdisch speichern kann.
Meine Damen und Herren,
Wirtschaft und Energie müssen viel stärker zusammengedacht werden. Daher appelliere ich an alle Hamburger Parteien: Bedenken Sie stets, das Wichtigste für eine wirtschaftlich erfolgreiche Klimawende ist und bleibt eine grüne und stabile Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen. Nur wenn wir diese wichtigste Voraussetzung schnell erfüllen, kann die Transformation gelingen. Bitte nutzen Sie die anstehende Regierungsbildung und schaffen Sie wichtige Synergien für den Klimaschutz und unsere Wettbewerbsfähigkeit in Hamburg. Ich habe dazu auch einen konkreten Vorschlag: Erweitern Sie die Zuständigkeit der Wirtschaftsbehörde um das Thema Energie. Die Energiepolitik muss endlich dahin, wo sie hingehört – zur Wirtschaft!
Meine Damen und Herren,
ich komme damit zur siebten Herkulesaufgabe: Zukunftsfelder und Innovationen fördern. Keine der zuvor genannten Herkulesaufgaben werden wir erfolgreich bewältigen, wenn wir nicht konsequent auf Innovationen und die Entwicklung von Zukunftstechnologien setzen. Ideenreichtum und Ingenieurskunst haben den Grundstein dafür gelegt, dass wir heute die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt sind. Noch! Denn heute finden Innovationen viel zu selten bei uns statt. Und wenn wir etwas Neues erfinden, wird daraus häufig kein neues Geschäftsmodell. Deshalb ist es uns so ernst mit dem Thema Innovation und der Zukunft des Standortes Hamburg. Denn Innovationen und Zukunftstechnologien sind die entscheidende Antwort auf die Leitfrage unserer Standortstrategie Hamburg 2040 „Wie wollen wir künftig leben – und vor allem – wovon?“ Es ist zwar lobenswert, was in den letzten zehn Jahren in Hamburg geschaffen wurde. Bildung und Wissenschaft haben eine neue Bedeutung in der Stadt bekommen. Wir haben eine Exzellenzuniversität! Wir haben das DESY, die TU Hamburg, die anderen Hochschulen und viele weitere hochkarätige Forschungseinrichtungen. Darauf können wir zu recht stolz sein! Aber wir brauchen eine noch größere Fokussierung und Prioritätensetzung. Wirtschaft und Wissenschaft in Hamburg haben deshalb gemeinsam Schwerpunkte formuliert: Neue Materialien, klimafreundliche Mobilität, Gesundheit und Infektion sowie Klima-Resilienz und Nachhaltigkeit. Diese Schwerpunkte haben die größten Ausgründungs- und Marktpotentiale für Hamburg. Dies ist ein bedeutender Schritt und zeigt: Innovation und neue Wertschöpfungsquellen liegen für Hamburgs Wirtschaft insbesondere in einer noch engeren Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Ich bin fest davon überzeugt: Genauso wie das Energiethema ins Wirtschaftsressort gehört, sollte die Innovationspolitik in die Zuständigkeit der Wissenschaftsbehörde übergehen. Damit können wir die Potenziale noch viel besser heben. Wir sind zwar sehr gut in der Grundlagenforschung. Aber entscheidend ist, die Ideen, Verfahren und Methoden aus der Wissenschaft auch in die Wirtschaft zu transferieren. Das sogenannte „death valley“ zwischen Grundlagenforschung und Anwendung muss endlich überwunden werden. Wir haben dazu viele Vorschläge gemacht, wie wir in Sachen Zukunftstechnologien und Innovationen in Hamburg richtig durchstarten können. Auch an dieser Stelle.
Vor zwei Jahren haben wir bereits einen Innovationsdreisprung gefordert. Den ersten Sprung – die Fokussierung auf die entscheidenden Zukunftstechnologien – haben wir mit der Wissenschaft bereits vollzogen. An dem zweiten Sprung, der Einrichtung von Sonderinnovationszonen, arbeiten wir intensiv. Der dritte Sprung steht aus. Wir haben Sie, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des Senats, gebeten, eine extra Innovationsmilliarde bereitzustellen. Aber die Chance für den Grundstock einer nachhaltigen Innovations-Finanzierung wurde noch nicht ergriffen.
Meine Damen und Herren,
ich möchte betonen: Wenn der Staat sich schon privatwirtschaftlich engagiert, dann müssen die Erträge zumindest in die Zukunft des Wirtschaftsstandorts reinvestiert werden. Deshalb fordert die Hamburger Wirtschaft - gemeinsam mit der Wissenschaft - die Gründung einer „Hamburger Zukunftsstiftung“ zur Innovationsförderung. Die Stiftung soll in gemeinsamer Verantwortung von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik stehen. Sie kann unabhängig von politischen und haushaltsrechtlichen Zwängen das von mir genannte „death valley“ zwischen Grundlagenforschung und Anwendung überwinden. Jede Unternehmerin, jeder Unternehmer weiß: Bestehende Assets sind immer und müssen die Grundlage für neue Quellen des wirtschaftlichen Erfolgs sein. Die Finanzierung der Stiftung sollte daher aus den privatwirtschaftlichen Erträgen und Dividenden der Stadt erfolgen.
Meine Damen und Herren,
ich möchte es hier noch einmal ganz deutlich sagen: Es handelt sich hierbei um potenzielle Erträge! Mit diesen unplanbaren Erträgen kann und darf in keiner Haushaltsplanung kalkuliert werden – aber wenn sie anfallen, dann können sie auch außerordentlich investiert werden.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sagen Sie bitte nicht, sie hätten kein Geld für so etwas. Dem halte ich entgegen: Der Senat schafft es seit Jahren nicht, vorhandenes Geld für Investitionen auszugeben. Der Hamburger Rechnungshof sagt in seinem Bericht: Das Geld, das für Investitionen vorgesehen ist, wird seit Jahren nicht in Gänze abgerufen. Ende 2022 betrugen diese investiven Reste bereits 2,1 Milliarden Euro, die in das Jahr 2023 übertragen wurden. Ich zitiere aus dem Bericht des Rechnungshofs: „Die investiven Reste steigen seit Jahren stark an. (…) In keinem Jahr wurden investive Reste abgebaut. (…) Dem Kernhaushalt mangelt es nicht an Mitteln, notwendige Investitionen zu planen und durchzuführen. Vielmehr gelingt es der Stadt in einem erheblichen Umfang nicht, die geplanten Investitionen umzusetzen.“ Ende des Zitats
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
die Hamburger Wirtschaft und die Hamburger Wissenschaft stehen zusammen am Start. Geben Sie uns bitte Rückenwind, setzen Sie mit uns entschlossen die Segel für die Zukunft! Und gründen Sie mit uns gemeinsam die Zukunftsstiftung für Hamburg.
Meine Damen und Herren,
es ist entscheidend, dass wir diese sieben Herkules-Aufgaben lösen. Und damit unverzüglich beginnen. Denn nur mit einer starken Wirtschaft verfügt der Staat über die Finanzmittel, um seine Kernaufgaben erfüllen zu können. Diese elementare Rolle der Wirtschaft für ein funktionierendes Gemeinwesen ist offensichtlich in unserer Gesellschaft in Vergessenheit geraten. Auch in Hamburg gibt es viele Beispiele dafür, dass der Wirtschaft in unserer Stadt nicht die nötige Priorität eingeräumt wird. Teilweise erscheint es mir sogar, dass Hamburg einer gefährlichen Illusion unterliegt: Allzu häufig werden Statistiken und Rankings präsentiert, in denen Hamburg auf einem Spitzenplatz im deutschlandweiten Vergleich liegt. Das ist zwar erfreulich, darf uns aber nicht in trügerischer wirtschaftlicher Sicherheit wiegen. International verliert Deutschland in vielen Feldern den Anschluss. Auch unsere Mitgliedsunternehmen wissen, dass wir an einem kritischen Punkt stehen – und vermissen einen konsequenten Zukunftskurs der Politik. Wir haben das Forsa-Institut damit beauftragt, eine repräsentative Umfrage unter Hamburger Unternehmen (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 93 KB) durchzuführen. Eine Mehrheit von 55 Prozent hat nicht den Eindruck, dass das Thema Wirtschaft für die Politik in Hamburg den Stellenwert hat, den es haben müsste. 63 Prozent sehen beim Senat keine langfristige Strategie für unseren Wirtschaftsstandort. Und 65 Prozent der Unternehmen halten die Anstrengungen des Senats zur Förderung von Innovationen und neuen Technologien für unzureichend.
Meine Damen und Herren,
viele gehen dieser Tage eher wenig optimistisch ins neue Jahr. Die Aussichten der Hamburger Wirtschaft auf das neue Jahr sind eher trüb. Ich persönlich ziehe jedoch Kraft und Zuversicht aus der Erkenntnis, dass wir unser Schicksal selbst in der Hand haben. Was zur Bewältigung unserer Herkulesaufgaben getan werden muss, habe ich heute dargelegt. Das neue Jahr startet mit der Chance für uns alle, bei den anstehenden Wahlen im Bund und in Hamburg, den Willen nach einer Stärkung der Wirtschaft zum Ausdruck zu bringen. Hamburg hat in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass es um die Bedeutung der Wirtschaft für die Zukunft unserer Stadt weiß. Ich appelliere daher an den Hamburger Senat und an alle politischen Bewerberinnen und Bewerber bei den anstehenden Wahlen. Bitte nehmen Sie das Feedback der Hamburger Wirtschaft sehr ernst. Wir haben mit unserer Standortstrategie „Hamburg2040 – wie wollen wir künftig leben und wovon?“ bereits viele Vorschläge gemacht. Stellen Sie die Zukunft unseres Standortes, stellen Sie die Wettbewerbsfähigkeit der Hamburger Wirtschaft ins Zentrum Ihres Handelns.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
der Wettbewerb um die besten Ideen und Lösungen zwischen Politik und Wirtschaft ist seit je her ein Schlüsselfaktor für die Entwicklung unserer Stadt. Dafür, dass Sie mit uns genau in diesen Wettbewerb eintreten, möchte ich mich bei Ihnen, lieber Herr Bürgermeister, stellvertretend für alle Vertreterinnen und Vertretern des Senats, ausdrücklich bedanken! Ich danke auch den Abgeordneten des Europäischen Parlaments, des Deutschen Bundestages, der Hamburgischen Bürgerschaft und der sieben Bezirksversammlungen. Den Behörden des Bundes und der Freien und Hansestadt Hamburg sowie den Organen der Justiz für die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit. Ich schließe in meinen Dank die Kirchen, das konsularische Korps, die Bundeswehr, die Polizei, die Feuerwehr, die Verbände, die Kammern, die Medien und die Gewerkschaften ein. Ich danke all denen, die in guter Hamburger Tradition mit Stiftungen, Spenden, Steuermitteln und Tatkraft unser Gemeinwesen gefördert haben. Ich danke der Versammlung Ehrbarer Kaufleute für die Möglichkeit, heute zu Ihnen zu sprechen. Und vor allem danke ich Ihnen, meine Damen und Herren, dass Sie uns Ihre Zukunft anvertraut haben. Wir haben heute mehr als 60 Kinder in der Kinderbetreuung. Ich danke der Handelskammer Hamburg. Das sind alle 180.000 Mitglieder, die vielen Ehrenamtlichen im Plenum und in den Ausschüssen sowie bei den Wirtschaftsjunioren. Ich danke den 3.500 ehrenamtlichen Prüferinnen und Prüfern der dualen Berufsausbildung und natürlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Hauses. Ohne Sie alle könnten wir unsere Aufgabe nicht erfüllen.
Meine Damen und Herren,
Ich komme noch einmal zurück zu unserem Helden Herkules, der am Scheideweg steht. Er hat sich bekanntlich für den schweren, steinigen Weg entschieden. Und wurde dafür am Ende reichlich belohnt. Mit einem Platz im Olymp. Gleiches gilt auch für uns: wenn wir zunächst mehr leisten, werden wir uns später auch viel mehr leisten können. Das ist doch eine Aussicht, für die es sich zu kämpfen lohnt! Und das sehen laut FORSA-Umfrage auch unsere Mitglieder so: 78 Prozent wollen, dass Hamburg im Jahr 2040 die Olympischen Spiele ausrichtet! Lassen Sie uns in diesem Sinne tatkräftig und optimistisch in die Zukunft blicken. Ich wünsche Ihnen allen ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2025.
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Präses Prof. Aust,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
die beeindruckende Kulisse dieser Jahresschlussveranstaltung unterstreicht die lange Tradition und den hohen Stellenwert, den die Hamburger Wirtschaft der Versammlung Ehrbarer Kaufleute beimisst. Es ist ebenfalls Tradition, in einem kurzen Schlusswort an diesem Tage den Dank der versammelten hanseatischen Kaufleute auszudrücken.
Unser Dank gilt zunächst Ihnen, Herr Spethmann, der Sie im vergangenen Jahr den Vorsitz der Versammlung Ehrbarer Kaufleute übernommen und diese heute nun schon zum zweiten Mal eröffnet haben. Mit Ihren einleitenden Worten haben Sie deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass die Politik dem Unternehmertum wieder mehr Vertrauen entgegenbringt. Ehrbarkeit und Vertrauen im täglichen Handeln: Diese Ziele sind daher heute aktueller denn je. Es ist wichtig, dass Sie gemeinsam für die Grundsätze und Werte ehrbarer Kaufleute einstehen und diese weitergeben.
Unser besonderer Dank richtet sich an den Präses der Handelskammer, Herrn Prof. Aust, für den umfassenden Rückblick auf das Jahr 2024 und die klare und visionäre Rede. Der Präses hat Positionen und Ziele deutlich formuliert und den Kurs der Kammer bestimmt. Sie betonten, lieber Herr Prof. Aust, dass wir das Selbstvertrauen finden müssen, uns große Ziele zu setzen und den Mut haben sollten, diese auch zu realisieren. Mir persönlich haben Sie mit Ihren klaren Worten aus dem Herzen gesprochen: Angesichts unserer schwindenden Wettbewerbsfähigkeit muss allen klar sein, dass wir keine Zeit mehr zu verlieren haben. Die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft muss unbedingt ins Zentrum allen Regierungshandelns gestellt werden.
Denn Wirtschaft ist zwar nicht alles – aber ohne Wirtschaft ist alles nichts! Ohne eine leistungsstarke Wirtschaft fehlt die Basis zur Finanzierung der staatlichen Kernaufgaben, wie Bildung, Infrastruktur, soziale oder äußere Sicherheit. Die Herausforderungen unseres Standortes sind seit langem bekannt, nicht zuletzt an dieser Stelle wurde mehrfach vehement darauf hingewiesen. Ich wünsche uns für das kommende Jahr deswegen mehr Realismus und Ehrlichkeit und von der Politik wünsche ich mir, den Bürgerinnen und Bürgern dies ebenso klar zu sagen und danach zu handeln.
Denn mir scheint, dass die Politik die Dringlichkeit der aktuellen Situation noch nicht erkannt hat, sie neigt zu Regulierung und einer übermäßigen Subventionskultur. Anstatt die Ursachen für die schwindende Wettbewerbsfähigkeit zu bekämpfen, wurden in den letzten drei Jahren die Subventionen verdoppelt. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt beträgt mittlerweile 3 Prozent.
Meine Damen und Herren,
Ich wünschte mir, dies würde für unsere Verteidigungsausgaben gelten.
Deshalb ist ein Umdenken erforderlich: Die nächste Regierung in Berlin, aber gerade auch in Hamburg, muss sich darauf konzentrieren, Bedingungen zu schaffen, die wirtschaftliches Wachstum wieder fördern oder überhaupt erst ermöglichen. Die Grundvoraussetzung ist Vertrauen in unternehmerisches Handeln, Kreativität und Innovationskraft, damit die Wirtschaft gleichzeitig soziale und ökologische Verantwortung wahrnehmen kann.
Sehr geehrter Herr Prof. Aust, im Namen der Hamburger Wirtschaft und der Versammlung Ehrbarer Kaufleute danke ich Ihnen für Ihren persönlichen Einsatz und Ihre unermüdliche Arbeit in den vergangenen Jahren. Besonders danke ich Ihnen dafür, dass Sie heute nicht nur Probleme adressiert, sondern Lösungswege aufgezeigt haben, wie wir die vielen Herausforderungen meistern und bedeutende Fortschritte erzielen können. Die Bewältigung der Herausforderungen dieses Jahres und in den kommenden Jahren wäre aber auch ohne Sie, sehr geehrter Herr Dr. Heyne, nicht vorstellbar. Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen in der Handelskammer gilt der ausdrückliche Dank der Hamburger Kaufleute, dass Sie sich so engagiert für die Belange der Hamburger Wirtschaft einsetzen.
Ich danke den Damen und Herren, die im Präsidium, Plenum, den Ausschüssen und Ehrenämtern für uns tätig waren und zum Wohle unserer Wirtschaft und Stadt beigetragen haben. Ihr aller Beitrag war und ist entscheidend für die Zukunft unseres Standortes.
Und deswegen gehe ich auch persönlich optimistisch in das neue Jahr. Ich komme aus der Hafenwirtschaft und im Hafen wissen wir: Einen schweren Sturm übersteht man am besten, indem man zusammenhält. Mit gegenseitigem Vertrauen und Entschlossenheit. Die Hamburger Wirtschaft ist stark und mit gemeinsamer Anstrengung können wir unsere Resilienz und Innovationskraft weiter stärken.
Lassen Sie uns im neuen Jahr entschlossen und mit einem realistischen Blick auf die Herausforderungen vorangehen. Lassen Sie uns mutige Entscheidungen treffen und auch unbequeme Wege beschreiten, um unsere Ziele zu erreichen. Ich bin mir sicher, dass wir diese Kraft haben in Hamburg. Vor allem dank unserer vielfältigen internationalen Perspektiven, die wir als Außenwirtschaftsstandort haben und die uns eben diesen notwendigen realistischen Blick auf unsere Herausforderungen aber auch Chancen ermöglichen.
Ihnen, meine Damen und Herren, danke ich herzlich für Ihr Erscheinen und wünsche Ihnen sowie Ihren Familien ein gesundes, glückliches und erfolgreiches Jahr 2025.
Die diesjährige Jahresschlussveranstaltung der Versammlung Ehrbarer Kaufleute ist hiermit geschlossen.
Es gilt das gesprochene Wort.
Impressionen
Fotos: Kati Jurischka
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Seit seiner offiziellen Gründung im Jahr 1517 setzte sich der Ehrbare Kaufmann für die kaufmännische Selbstverwaltung und das Wohl der Hamburger Kaufmannschaft ein. 1665 rief der Ehrbare Kaufmann die „Commerz-Deputation“ – aus der später die Handelskammer Hamburg werden sollte – als sein Vertretungsorgan ins Leben, um seine Ziele besser verfolgen zu können. Der Ehrbare Kaufmann wurde zur „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg e.V.“ (VEEK) und im Jahr 2024 zur „Versammlung Ehrbarer Kaufleute zu Hamburg e.V.“ (VEEK). Sie ist die größte werteorientierte Vereinigung der deutschen Wirtschaft.
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